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Jochen Hippler

Erfahrungen der Intervention:
Guatemala 1954
 


Im März 1951 trat Jacobo Arbenz Guzman als mit großer Mehrheit gewählter Nachfolger von Juan Jose Arevalo das Amt des Präsidenten Guatemalas an.
Entgegen dem recht diffusen politischen Konzept, mit dem Arevalo die Verbesserung der Lebensbedingungen der Mehrheit der Bevölkerung angestrebt hatte, verstärkte Präsident Arbenz den reformerischen Kurs der guatemaltekischen Revolution.
Sein Ziel lag darin, Guatemala zu einem "modernen kapitalistischen Land" zu machen, was bedeutete, den Übergang von einer abhängigen Nation mit halbkolonialer Wirtschaft zu einem wirtschaftlich unabhängigen Land zu vollziehen.
Dabei sollte ein politisches Konzept verfolgt werden, das sowohl diesen Übergang auf eine Art vollzog, die den Lebensstandard der Masse des Volkes auf ein möglichst hohes Niveau heben sollte, als auch die private Initiative und Entwicklung des guatemaltekischen Kapitals entscheidend stärkte.

Ausländisches Kapital sollte "immer willkommen sein, solange es sich den lokalen Bedingungen anpaßt, die guatemaltekischen Gesetze beachtet, bei der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes mitarbeitet und sich Einmischungen in das soziale und politische Leben der Nation streng enthält..."(1)
Diesem Konzept, Guatemala zu einem "modernen kapitalistischen Land" zu machen, folgte Arbenz tatsächlich und mit beträchtlicher Energie. Bereits früh veranlaßte er den Bau eines staatlichen Hafens, um das Monopol des US-Konzerns United Fruit Company (UFC), das diese durch "ihren" Hafen Puerto Barrios ausübte, zu brechen. Ein weiteres Bauprojekt bestand in einer Straße zum Atlantik - wodurch das Monopol der durch die UFC kontrollierten Eisenbahnlinie bedroht wurde. Ein regierungseigenes Kraftwerk sollte die Strompreise des US-kontrollierten Monopols bei der Stromerzeugung unterbieten.

Für die wirtschaftliche Entwicklung Guatemalas am wichtigsten und zugleich das Kernstück der Reformpolitik Arbenz' war allerdings die Landreform.
Landbesitz über einer bestimmten Größe (ca. 90 ha) konnte von der Regierung enteignet werden, falls das Land ganz oder teilweise (über ein Drittel) ungenutzt war. Eine Entschädigung wurde in Regierungsschuldscheinen gezahlt. Das so enteignete Land - plus bereits im Regierungsbesitz befindliches - wurde an landlose Bauern verteilt.


Der Konflikt mit den USA
Die United Fruit Company (UFC) war seit Jahrzehnten in Guatemala von entscheidender wirtschaftlicher und politischer Bedeutung. Der US-Konzern exportierte aus Guatemala vor allem Bananen, er war der größte Landbesitzer (mehr als 220 000 ha), besaß praktisch das Eisenbahn-Monopol und betrieb den einzigen Atlantikhafen des Landes in Privatbesitz. Neben weiteren wirtschaftlichen Machtfaktoren hatte sich die UFC traditionell in Guatemala einer so starken politischen Stellung erfreut, daß sie den früheren Diktatoren häufig ihre Politik hatte diktieren können.
Ein ehemaliger Angestellter der UFC, Thomas McCann, schrieb später:
"Guatemala wurde zu Beginn des Jahrhunderts als Standort für die Entwicklung der frühesten Aktivitäten ausgewählt, da ein guter Teil des Landes gut für Bananen geeignet war und weil Guatemala zu der Zeit, als wir nach Mittelamerika kamen, die schwächste, korrupteste und nachgiebigste Regierung in der Region hatte. Kurz gesagt, das Land bot ein 'ideales Investitionsklima', und die Profite von United Fruit waren fünfzig Jahre lang beträchtlich. Dann ging etwas schief: Ein Mann namens Jacobo Arbenz wurde Präsident."(2)

Die Unzufriedenheit der UFC mit der Entwicklung in Guatemala sowie das allgemeine Gefühl, deutlich an Einfluß auf die Politik - und damit auch auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen - verloren zu haben, führten spätestens ab 1950 dazu, daß die UFC sich systematisch um die Schaffung von Bedingungen bemühte, die die bedrohliche Entwicklung stoppen sollten.(3)
Dazu richtete die UFC ihre Aufmerksamkeit zuerst auf die Beeinflussung der Meinungsbildung in den USA selbst, sowohl was die Medien, als auch was die verantwortlichen Politiker betraf.

1950 begann Edward Bernays, "einer der gerissnsten lebenden Public-Relations-Experten", mit einer großangelegten Propagandakampagne gegen die Regierung Guatemalas in den Medien der USA. Er organisierte Reisen von Journalisten nach Guatemala, die völlig von der UFC bezahlt wurden und bei denen die Journalisten mit von der UFC ausgewählten Interviewpartnern und öExpertenö zusammentrafen.
Zahlreiche wichtige Zeitungen und Zeitschriften, sowie die Nachrichtenagentur UPI ließen sich aufgrund von Bernays hervorragenden Kontakten praktisch in die Kampagne integrieren und begannen über die positiven Aktivitäten der UFC in Mittelamerika und die ökommunistische Unterwanderungö Guatemalas zu berichten.
Die Bedrohung der Interessen der UFC und die "kommunistische Bedrohung" begannen ineinander verwoben zu werden, allmählich geriet jede Aktivität, die der UFC schaden konnte, in den Verdacht, zumindest "kommunistisch inspiriert" zu sein.(4)
Bereits 1947 hatte die UFC in weiser Voraussicht den Rechtsanwalt Thomas G. Corcoran engagiert, der seit den Tagen Präsident Franklin Roosevelts (im Amt von 1933-45) in Washington über die besten persönlichen Verbindungen verfügte - und diese nun für die UFC nutzte. Besonders wertvoll waren seine engen Kontakte zu hohen Beamten der CIA, aber auch zum Außenministerium. Er war praktisch der Verbindungsmann zwischen UFC und CIA.
Gleichzeitig existierten enge wirtschaftliche Verbindungen hoher Beamter der US-Regierung zur UFC und insbesondere auch im Senat und Repräsentantenhaus verfügte der Konzern über einflußreiche Fürsprecher.

Es war der UFC zwischen etwa 1949/50 und 1954 zunehmend gelungen, sowohl die Medien ("öffentliche Meinung") als auch den zentralen politischen Apparat der USA massiv zu beeinflussen und in gewissem Maße zu manipulieren. Die insgesamt noch relativ bescheidenen und keinesfalls über den kapitalistischen Rahmen hinausgehenden Sozialreformen wurden zu einer "kommunistischen Taktik" erklärt, Guatemala wurde zu einem Fall der "Aggression einer äußeren Macht" - nämlich der Sowjetunion. (Dabei unterhielt Guatemala zur Sowjetunion nicht einmal diplomatische Beziehungen). Die Regierung Arbenz sei entweder selber kommunistisch oder bestände aus "Mitläufern". US-Außenminister John F. Dulles formulierte beispielsweise 1954: "Der internationale Kommunismus hat seit mehreren Jahren hier und dort in Amerika nach Nistplätzen gesucht. Er hat schließlich Guatemala als einen Punkt ausgesucht, den er in eine offizielle Basis verwandeln konnte, von der aus er Subversion in die anderen amerikanischen Republiken verbreiten würde. Dieses Eindringen des sowjetischen Despotismus war natürlich eine direkte Herausforderung unserer Monroe-Doktrin, des ersten und grundlegenden Grundsatzes unserer Außenpolitik."(5)

Zwei Ereignisse lieferten den USA schließlich die erstrebten Vorwände, direkt gegen Guatemala vorzugehen.
Im Zuge der erwähnten Landreform enteignete die Regierung Guatemalas in drei Stufen vom März 1953 bis Februar 1954 insgesamt
387 000 von etwa 550 000 acres des (zu 85 % brachliegenden) Landes der UFC. Die angebotene Entschädigung von etwa 1,1 Mio. Dollar an Schuldscheinen wollte die UFC nicht akzeptieren. Stattdessen verlangte das US-Außenministerium in einer formellen Beschwerde im April 1954 - quasi anstelle der UFC selbst - statt der angebotenen 3 Dollar pro acre für die UFC mehr als 75 Dollar.
Das zweite Ereignis war eher militärischer Art: Seit 1952/53 war bekannt, daß reaktionäre Exilguatemalteken von Honduras aus einen militärischen Sturz der Regierung planten. Zur Abwehr dieser äußeren Gefahr benötigte Guatemala Waffen, die es nur im Ausland erwerben konnte. Aufgrund eines seit 1948 von den USA praktizierten Waffenembargos gegenüber Guatemala und dem Druck, den die USA auf andere Länder ausübten, keine Waffen an Guatemala zu liefern, blieb als einziges potentielles Lieferland die Tschechoslowakei übrig, die tatsächlich 2 000 Tonnen an kleinen Waffen an Guatemala verkaufte. Gemeinsam mit der Landreform bildete diese Lieferung für die USA den endgültigen "Beweis" für den "kommunistischen Charakter" der Revolution in Guatemala.


Intervention
Nachdem es bereits vorher geheime Versuche einer Destabilisierung der Regierung Arbenz durch die CIA in Zusammenarbeit mit der UFC und der Somoza-Diktatur Nicaraguas gegeben hatte, wurde in den USA im August 1953 formell beschlossen, die gewählte Regierung Guatemalas im Namen der Freiheit zu stürzen. Diese Entscheidung wurde von einem für "verdeckte Aktionen" zuständigen Ausschuß des Nationalen Sicherheitsrates getroffen, Präsident Eisenhower erklärte seine Zustimmung. Bei der Planung und Vorbereitung der "Operation Erfolg" (Codename der Aktion) waren die Spitze der CIA und eine Reihe von Personen beteiligt, die später auch die Intervention gegen Kuba leiten würden. Auf der planerischen und technisch organisatorischen Ebene wurde die Unternehmung durch Oberst Albert Haney geleitet, der dafür im wesentlichen freie Hand erhielt.
Schlesinger/Kinzer beschreiben das Konzept zum Sturz der Regierung Guatemalas: "Haney schwebte eher eine Kampagne psychologischer Kriegführung gegen Arbenz, denn eine direkte Militäraktion vor. Richard Bissel, der kurz vor dem Coup als Sonderassistent von Allen Dulles dazukam, spekulierte später, daß Haneys Herangehensweise vor allem durch den Glauben bestimmt wurde, daß die CIA ohne enormen äußeren Druck nicht in der Lage wäre, eine ausreichend große militärische Truppe für eine Invasion oder einen internen Putsch zustandezubringen. Es gab zu wenig Exilanten, um einen ernsthaften Angriff über die Grenze vorzutragen, und Arbenz verfügte in Guatemala über zu viel Unterstützung, um die Art eines 'spontanen' Aufstandes zu bewerkstelligen, wie es der CIA im Iran gelungen war.* In Haneys Sicht war Arbenz' Überleben von der Loyalität der Armee abhängig, daher mußte das Ziel darin bestehen, diese Loyalität zu untergraben. Bezogen auf die Gewerkschaften, Landarbeiter und städtischen Mieter, die Arbenz unterstützten, mußte das Ziel in deren Demoralisierung bestehen und sie davon überzeugen, daß Arbenz am Ende sei."(6)

In diesem Rahmen sollte der Sturz der Regierung tatsächlich durch "Psychologische Kriegführung" erreicht werden. Militärische Aktionen und die Intervention hatten sich diesem Konzept einzufügen und stellten nur ein Element - wenn auch das wohl wichtigste - der politisch-psychologischen Kampagne dar.(7)
Während man noch vergeblich versuchte, den Präsidenten Arbenz und hohe Offiziere zu bestechen, lief die Operation Erfolg bereits an. In Nicaragua wurden mehr als 300 Exilguatemalteken und Söldner mit Zustimmung Somozas von der CIA ausgebildet. Durch eine Scheinfirma (InterArmco) versorgte die CIA ihre "Befreiungsarmee" mit Waffen und Munition. Andere CIA-Einheiten besorgten sowjetische Waffen, die in Guatemala versteckt wurden, um sie nach dem Einmarsch "entdecken" und als neue "Beweise" für den kommunistischen Charakter der Regierung Arbenz präsentieren zu können. Die CIA stellte der kleinen Invasionsarmee nach komplizierten Transaktionen mehrerer Scheinfirmen auch mehr als 30 Flugzeuge zur Verfügung (die guatemaltekische Regierung verfügte nur über fünf oder sechs Flugzeuge, die zudem kaum kampffähig waren). Diese wurden überwiegend von US-Bürgern geflogen, die Flughäfen in Nicaragua und Honduras benutzten.(8)

Zugleich wurden umfangreiche Vorbereitungen für die entscheidende Propagandakampagne getroffen. Der spätere Watergate-Einbrecher Howard Hunt wurde zum Propagandachef der Operation ernannt. Er leitete die Produktion einer Flut von Flugblättern, Aufsätzen und Aufrufen, die für die spätere Verbreitung in Guatemala vorfabriziert wurden. Besonders wichtig waren die brillant gemachten Radiosendungen, die allesamt geschickt auf Desinformation, Verwirrung und Einschüchterung der Bevölkerung Guatemalas und ihrer Führer zielten. Haney sorgte dafür, daß eine Kette geheimer Radiosender aufgebaut wurde: in Nicaragua, der Dominikanischen Republik, Honduras und zwei in Guatemala selbst - davon einer in der US-Botschaft.  Diese Sender sollten später behaupten, von "Freiheitskämpfern" in Guatemala betrieben zu werden. Vorfabrizierter Gefechtslärm sollte den Hörern den Eindruck vermitteln, die Sender würden live aus umkämpften Gebieten berichten. Darüberhinaus wurden Störsender installiert, um die Radiostationen Guatemalas lahmzulegen.

Um ganz sicher zu gehen, wurde allerdings noch zusätzlich ein weiteres militärisches Element in die Planungen einbezogen: Truppen der USA selbst.
"... Fast ein Dutzend U.S. Kriegsschiffe und U-Boote wurden unter dem Plan zusammengezogen, und ein Bataillon von Fallschirmjägern des Marine Corps wurde in den Wochen vor dem Coup in Camp Lejeune (North Carolina) ständig einsatzbereit gehalten. Zwölf C-47-Transportflugzeuge, eine Einheit von Flugzeugen der Nationalgarde Puerto Ricos und fünfzehn Hubschrauber wurden ebenfalls in Bereitschaft versetzt."(9)
Im Januar 1954 wurden die Vorbereitungen der Invasion und die Rolle der USA endgültig und kaum bestreitbar öffentlich bekannt. Zahlreiche Dokumente, die die Verschwörung bewiesen, erschienen als Faksimile in den Zeitungen des Landes. Die ertappte US-Regierung blieb kühl. Das Außenministerium erklärte, solche Vorwürfe seien "lächerlich und unwahr", und ließ verlauten:
"Es ist geltende Politik der Vereinigten Staaten, in die internen Angelegenheiten anderer Nationen nicht zu intervenieren. Diese Politik ist von der gegenwärtigen Regierung wiederholt bekräftigt worden."(10)
Am 18. Juni 1954 begann der militärische Teil der Intervention. Castillo Armas marschierte mit etwa 150 seiner Söldner von Honduras aus in Guatemala ein, drang etwa 10 km tief ins Land vor und bezog dort in der Nähe von Esquipulas eine abwartende Position. Mit seiner schwachen Streitmacht war ein weiteres Vordringen vorerst kaum realistisch. Nun würde der Erfolg der Intervention von der Wirksamkeit der Luftangriffe und der Glaubwürdigkeit der Propagandakampagne abhängen. Nach Mißerfolgen in den ersten Tagen der Operation - trotz der bestehenden absoluten Luftüberlegenheit  der Angreifer hatten die Luftangriffe wenig Wirkung erzielt, und es waren sogar zwei Flugzeuge verloren worden - wendete sich das Blatt.
Die USA hatten neue Kampfflugzeuge geliefert, und die Bombardierungen nahmen an Heftigkeit und Treffgenauigkeit zu.

Die Luftangriffe waren primär auf die Demoralisierung und Einschüchterung möglicher Gegenwehr gerichtet und erst in zweiter Linie militärisch konzipiert. Rauchbomben, auf lautstarke Explosionen angelegte Attacken und tatsächliche Bombardierungen wechselten mit Flugblattabwürfen, was alles die praktische Hilflosigkeit der Regierung Arbenz demonstrierte, die kein militärisches Abwehrmittel gegen die Flugzeuge zur Verfügung hatte.(11)
Zugleich wurde mit allen Mitteln versucht, den Umfang der Intervention und deren militärische Schlagkraft ins Gigantische zu übertreiben. Die CIA-Radiosender ("Stimme der Befreiung") verlasen Befehle an nicht existierende Rebelleneinheiten, meldeten heftige Kämpfe, wo nie Rebellen gewesen waren und behaupteten zahlreiche Freiwillige schlössen sich ständig den "Freiheitskämpfern" an. Zugleich wurde die Radiokommunikation der Regierung weiterhin gestört und gezielt Gerüchte lanciert.

Die internationalen Medien bezogen ihre Informationen im wesentlichen von den Meldungen der CIA-Radiosender, durch den US-Botschafter Peurifoy oder - durch die UFC. Damit bestätigten sie scheinbar die zahllosen Gerüchte und Falschmeldungen und verschafften diesen erst die nötige Glaubwürdigkeit. Die "Stimme der Befreiung" meldete bald stündlich das Vorrücken der "Befreier" gegen die Hauptstadt. Tatsächlich saß Castillo Armas immer noch mit seinen paar hundert Söldnern an der honduranischen Grenze - bei einem ernsthaften Angriff konnte er sich so leicht zurückziehen - und wartete auf neue Anweisungen.(12)
Doch das allgemeine Chaos und die wachsende Unsicherheit hatten gemeinsam mit den ungehemmten Luftangriffen bereits ihre beabsichtigte Wirkung getan. Inzwischen war der Eindruck entstanden, gegen einen ungeheuer überlegenen Gegner in der Defensive zu sein, ja praktisch unvorbereitet gegen die USA selbst kämpfen zu müssen.

Angesichts dieser zunehmend aussichtsloser erscheinenden Lage ging die Armee auf Distanz zu Arbenz. Der Generalstab begann Druck auszuüben, daß Arbenz zurücktreten solle. Offiziere begannen den Befehl zu verweigern, insbesondere als der Präsident - da die Armee offensichtlich nicht zum Kampf gegen die Invasoren bereit war - die Arbeiter und Bauern des Landes aus Armeebeständen bewaffnen wollte. Schließlich übermittelte der Generalstab ein letztes Ultimatum, Arbenz trat zurück (28. Juni 1954) und übertrug das Amt auf seinen Vertrauten, Oberst Diaz. Aufgrund des massiven Drucks, der Täuschungen und Intrigen des US-Botschafters Peurifoy wurde nach einer kurzen Übergangsphase schließlich der "Befreier" Castillo Armas Präsident. Er wurde im offiziellen Flugzeug des US-Botschafters eingeflogen, die USA hatten in Guatemala nach eigener Einschätzung ihre Vorstellungen von Freiheit und demokratischen Werten durchgesetzt.
Geschätzte Kosten des Unternehmens: etwa 20 Millionen Dollar.


Erfahrungen
Warum war es Castillo Armas beziehungsweise der CIA gelungen, mit einer winzigen Streitmacht - Armas verfügte zu keinem Zeitpunkt über mehr als 400 Leute - von außen eine Regierung zu stürzen, die über eine breite Unterstützung in der Bevölkerung verfügte, während ein ähnlicher Plan in Kuba scheiterte?

1. Die guatemaltekische Regierung war militärisch nur höchst unzureichend gesichert. Es existierte praktisch keine Möglichkeit, die Luftwaffe der Rebellen abzuwehren, die für die Einschüchterungsstrategie entscheidend war. Das Waffenembargo der USA seit 1948 war nur durch eine einzige Waffenlieferung der CSSR durchbrochen worden, die aber sehr spät eintraf und wenig hilfreich war. sie enthielt etwa Panzerabwehrwaffen, obwohl es in ganz MIttelamerika zu dem Zeitpunkt keine Panzer gab, andere Bestandteile der Lieferung waren veraltet und funktionierten schlecht oder gar nicht.

2. Guatemala war international fast völlig isoliert und insbesondere von feindlichen Nachbarn umgeben. Nicaragua, Honduras und El Salvador waren direkte Beteiligte an der Operation. die Sowjetunion leistete nicht mehr als diplomatische Hilfe im Rahmen des UNO-Sicherheitsrates.

3. Die Regierung wurde noch immer von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt, die frühere soziale Koalition war aber durch eine politische Polarisierung als Folge der Sozialreform (insbesondere der Landreform) stark erodiert. Die Bourgeoisie und große Teile des Kleinbürgertums waren zunehmend aus Distanz gegangen. Arbenz hatte allerdings versäumt, daraus rechtzeitig politische Konsequenzen zu ziehen, indem er entweder eine Annäherung an den oppositionellen bürgerlichen Sektor suchte (und dadurch seine Basis bei den Bauern und Arbeitern verloren hätte) oder mit den Bauern und Arbeitern gegen die reaktionäre Opposition vorgegangen wäre.

4. Die Armee war zwar nicht von vornherein die treibende Kraft beim Sturz der Regierung, wichtige Teile standen Arbenz aber doch sehr distanziert gegenüber und insgesamt bestand die Tendenz, sich dem voraussichtlichen Sieger des Konfliktes anzuschließen. Arbenz hatte die Verteidigung der Revolution vollständig von der Armee abhängig gemacht, also einer Kraft, die nicht gerade deren Hauptnutznießer gewesen war und die von einer erneuten Diktatur wenig zu befürchten hatte. Bei einer - rechtzeitigen - Bewaffnung seiner zivilen Anhänger, Gewerkschafter und Landarbeiter wäre die Invasion Castillo Armas problemlos zu schlagen gewesen. Diesen Schritt wollte Arbenz, solange er noch möglich war, der Armee nicht zumuten. Auch die klassenmäßige Polarisierung eines solchen Schrittes hielt ihn ab: Er war schließlich nur ein - wenn auch relativ konsequenter und ehrenhafter - bürgerlicher Reformpolitiker, kein Sozialrevolutionär. Unter der gegebenen außenpolitischen Konstellation bedeutete der bürgerlich-kapitalistische Charakter der guatemaltekischen Revolution deren Verteidigungsfähigkeit und deren Niederlage.

 


Anmerkungen

(1) Stephen Schlesinger/Stephen Kinzer, Bitter Fruit - The Untold Story of the American Coup in Guatemala, Garden City/New York, 1983, S. 52
(2) Schlesinger/Kinzer, a.a.O., S. 73
(3) Zur UFC und deren Geschichte siehe neben den bereits zitierten Werken: United Fruit I: The Gentleman from New Orleans; United Fruit II: The Conquest of Honduras; United Fruit III: The Great White Fleet; alle in: Fortune, Vol. VII, Nr. 3, März 1933, S. 26ff., 31ff., 123ff.
(4) Schlesinger/Kinzer, a.a.O., S. 79-81, 84-90; Susanne Jonas/David Tobis (Hg.), Guatemala (North American Congress on Latin America), New York 1974, S. 59-61
(5) Zitiert nach: Earl T. Glauert/Lester D. Langley (Hg.), The United States and Latin America, Reading/Mass., 1971, S. 141
(6) Zitiert nach: Schlesinger/Kinzer, a.a.O., s. 110
(7) Vergl. dazu: Richard H. Immermann, a.a.O., S. 648
(8) Schlesinger/Kinzer, a.a.O., S. 111, 113, 115f.
(9) ebenda, S. 114, 111
(10) ebenda, S. 128f.
(11) ebenda, S. 171f., 183f., 192ff.
(12) ebenda, S. 186-188, 192
 


*  1953 war es der CIA gelungen, den bürgerlich-nationalistischen Ministerpräsidenten des Iran, Mohammad Mossadegh, zu stürzen und den Schah Reza Pahlevi wieder an die Macht zu bringen.
 


Quelle:

aus:
Jochen Hippler, Erfahrungen der Intervention - Guatemala 1954 und Kuba 1961,
in: J. Hippler (Hrsg.), Intervention in Mittelamerika und der Karibik,
Wuppertal 1984 ff, S. II/7/1-13

 

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